Archiv für September, 2010

Grausegrau (es regnet einfach zuviel)

Veröffentlicht: September 27, 2010 in Gedichte
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Grausegrau

Grausegraue Regentropfen, die auf deine Seele klopfen,
Löchern durch die Stirn.
Schreckensschwarzer Düsternebel, fest sich windend wie ein Knebel,
Fräst sich ins Gehirn.

Geworfen in die Fegefeuchte, suchst du Mensch das Sinngeleuchte,
Knietief im Morast.
Erkennst in wirbelnd’ Sinnesstrudel, dass du – wässrig wie der Pudel,
Dich selbst verloren hast.


© Sybille Lengauer

Trotz Blindheit suche ich das Licht im Schatten,
Denn was wir hatten, nimmt man uns nie!

Wir hatten Freiheit, Würde, Stolz und wilde Kraft.
Die sie uns stahlen, still und heimlich über Nacht.

Wir hatten Hoffnung, Mut und keine Angst vorm Morgen.
Sie gaben leere Taschen uns – und lauter Sorgen.

Trotz Knebel schrei ich lauthals zu euch Toten:
Was nie verboten – ist Phantasie!

Wir haben Träume, tief im Innersten versteckt.
Was sie uns nehmen können ist nur der Respekt.

Wir haben Wünsche, Schneid und trotz der Angst vorm Morgen.
Der Tag wird kommen da wir für den Wandel sorgen.

© Sybille Lengauer

Oh du liebes Österreich

Das ist jetzt schon irgendwie schön, dieses andächtige Schweigen im Walde, das sein angeschlagenes Gemüt mit der Welt versöhnt. Die Natur als Ganzes besänftigt zumindest etwas die spinnenschwarze Stimmung im Speziellen, die ihm sein Inneres zerhäckselt wie ein blindwütiger Orkan das Bauernhaus. So eine fromme Stille im Wald, das ist schon etwas wirklich einmaliges. Langsam hebt er den bäuerlichen Quadratschädel und stiert deppert ins Tannengrün, während um ihn herum gemächlich das Waldleben erwacht. Schon hört er die Eichkätzchen durch den Tann rascheln und während er noch sinniert, ob ihm heute wenigstens einer dieser nichtsnutzigen Nussabstauber in die extra aufgestellte Hörnchenfalle tapst, zerreißt schon ein gellender Schreckensjodler die herrliche Stimmung. Ist es doch nur wieder ein saublöder Wanderer, alias saublöder Tourist, alias überhaupt kreuzsaublöder Piefke, der statt eines Hörnchens in die Stacheldrahtschlinge gestiefelt ist. So ein Schaas aber auch!

„So ein Schaas, so ein blöder“ murmelt er mürrisch, während er sich mit krachenden Knochen aufrichtet und den, in dieser Nacht verendeten, Wandersmann in die eben ausgehobene Grube wirft. „Grad fertig mit der blöden Arbeit, fällt mir schon die nächste Waidmannsleiche anheim, das darf doch nicht wahr sein, Kruzifixnocheinmal!“ Fast möchte er in seinen grünen Jägerhut beißen, so sehr ärgert ihn dieses ewige Touristenproblem. Dass diese Depperten aber auch nie auf den, extra für sie in mühseligster (!) Arbeit angelegten, Wandererpfaden bleiben können. Dass diese wirklich unsäglichen Trotteln aber auch jedes Mal wieder kreuz und quer durch seinen geliebten Wald latschen müssen, die zugeschwollene Allergienase im Wind und das schwarz-rot-goldene Regenkäppi tief ins teigige Gesicht gezogen, sodass sie auch wirklich gar nichts von der Umwelt mitbekommen?!

Darf es denn sein, dass ein jeder, er muss es jetzt sagen, Vollblödwessi (und mittlerweile auch Ossi, die nicht zu vergessen, aber sicher nicht zu vergessen!) in seinem Wald herumkrauchen darf, als wäre er nur für ihn, respektive sie gemacht worden? Sicher nicht, kann er dazu nur sagen, aber sicher nicht! Na, er regt sich schon wieder viel zu sehr auf, aber es ist ja auch zum aus der Haut fahren, mit diesem Tourigesindel. Dem depperten! Kräftig schnäuzt er sich jetzt die Schnapsnase und macht sich auf den Weg, immer den Hilferufen des Verendenden hinterher, der im tiefen Wald von einem Ast baumelt und sich gerade überlegt, warum er nicht doch, wie eigentlich angedacht, seinen sauer verdienten (und noch saurer bezahlten) Urlaub im benachbarten Italien verbracht hat, anstatt der Gattin zuliebe ins erzblöde Österreich zu gurken, wie jedes vermaledeite Jahr.

Eine schöne Städtereise hätten sie machen können, ein wenig Rom, ein wenig Pisa und zum drüberstreuen noch ein kleiner Ausflug ans Meer. So soll ein Urlaub aussehen! Und nicht dieses ständige „Pilzesuchen“ und „Bergekraxeln“, dass die Österreicher scheinbar Profimäßig das ganze Jahr über betreiben und sonst aber auch nichts. Aber als sie ihn mit ihren Rehaugen angefleht hat, da konnte er seiner Irmi wieder nicht den Herzenswunsch abschlagen und ist doch mit Sack und Pack ins vermaledeite Ösiland gefahren. Butterweich, wie er nun einmal innerlich ist, trotz all der Schinderei im Kohlebergwerk. Und wo ist die Gattin jetzt, wo er so nah am Tode und noch dazu kopfüber von der Tanne baumelt? Wellnessen. Ja, genau, Wellnessen ist sie. Die dumme Kuh. Na der wird er den Marsch schon blasen, wenn er wieder im Hotel ist. Darauf darf sie sich schon gefasst machen und dann wird es mit dem scheiß Wellness auch erstmal vorbei sein, aber richtig!

Aber da – Hilfe naht! Schon sieht er einen Jägersmann forsch durch das Unterholz stapfen und winkt ihn jauchzend herbei. Schon steigen ihm die Endorphine in den allergiegeplagten Schädel und bringen seine Ohren zum klingen. Endlich, die Rettung aus der misslichen Lage! Schön blöd schaut der Piefke aus der Wäsche, als der vermeintliche Retter ihn dann nicht von der Tanne schneidet, sondern sich breitbeinig vor ihn hinstellt, wie der Rachegott persönlich. Und langsam wandeln sich die Endorphine in garstige Stresshormone, die er in seinem Alter gar nicht vertragen kann. Denn der Jägersmann dreht sich jetzt gelassen eine daumendicke Zigarette und reißt das Streichholz an seiner, von der Tanne baumelnden, Nase an. Au, das tut weh!

Und jetzt steht der blöd vor ihm und raucht gemütlich, während sein armer, in schwarz-rot-gold gehüllter Käppischädel langsam die Farbe einer ungesunden Gentomate annimmt, so sehr schießt ihm schon das Blut in die Rübe. „Jetzt hilf mir doch, du Bandit, bevor ich hier oben verrecke!“ schreit er in seiner Panik heraus, aber der grüne Rächer lacht nur still in sich hinein und hebt das Gewehr. „Verdammt, die sind doch alle total verrückt hier in diesem Scheißland“ denkt der Piefke noch, während er verzweifelt um sein Leben pendelt. Und „Scheiße, das werde ich heute nicht mehr überleben, Irmi, du wirst es mir dereinst im Himmelsreich büßen, das schwör ich dir!“ Als dann der Schuss kracht und ihm das Regenkäppi von der zerlöcherten Rübe reißt, da denkt der Piefke gar nichts mehr und während er aus seinem Körper fährt und langsam die Reise ins Jenseits antritt, sieht er noch den Jägersmann, wie er gemütlich an seiner Selbstgedrehten nuckelt…

© Sybille Lengauer

I’m talking blood

Veröffentlicht: September 22, 2010 in Gedichte
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I’m talking blood on the concrete.
I’m talking chill to the bones.
I’m talking fear on the basement.
I’m talking murder but at once,

I’m talking sweets on the meadows,
I’m talking warmth in the gut,
I’m talking faith on the attic,
I’m talking love that we got.

I have a dead man in my closet.
I have a butcher in my brains.
But the rhythm of my heart is drumming heavy.
And the will to live floats airy my veins.

© Sybille Lengauer

Wenn ich…

Veröffentlicht: September 9, 2010 in Gedichte
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Wenn ich

Wenn ich ein Gänseblümchen wär, würd ich geknickt,
Dann in ein Buch hineingepresst und totgedrückt.

Wenn ich ein Füchslein wär, dann würde ich erschlagen,
Dann in die Gerberei gebracht, als Pelz getragen.

Wenn ich ein Friedenstäublein wär, würd ich erschossen,
Dann in ein Restaurant gebracht, zu Wein genossen.

Wenn ich ein Falter wär, dann würde ich gefangen,
Dann in die Sammelbox gepinnt und aufgehangen.

Wenn in ein Karpfen wär, dann würde ich gefischt,
Dann in der Pfanne frisch gegart und aufgetischt.

Wenn ich ein Spinnchen wär, dann würde ich zerknüllt,
Dann in ein Klo geworfen und auch noch gespült.

Wenn ich so denke was passiert, dann graust mir schon…
Da bleib ich Mensch – ich scheiß auf Reinkarnation.

© Sybille Lengauer