Archiv für Oktober, 2010

Dasein einer Schriftstellerin

Veröffentlicht: Oktober 25, 2010 in Gedichte
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Ich schreibe mich tapfer und schreibe mich neu.
Ich schreibe mich mutlos doch schreib’ ich mich frei.

Ich schreibe mich ängstlich, ich schreib’ mich versaut.
Ich schreibe mich hässlich, ich schreib’ mich ergraut.

Ich schreibe mich wütend, ich schreib’ mich nervös.
Ich schreibe mich herzig, schreib’ mich kapriziös.

Ich schreibe mich schreiend, ich schreib’ niemals still!
Ich schreibe mich aufrecht – weil ich es so will.

© Sybille Lengauer

Nebelschwadenleicht schwebt mein Gehirn in Ethanol.
Der Raum dreht sich im Kopf, ich fühl mich warm, ich fühl mich wohl.
Doch schlägt der Fusel, dieser Geck, den Schädel mir entzwei,
Dass ich dadurch zum Affen werd erklärt sich nebenbei.

Urplötzlich scheint der dümmste Scherz mir witzig.
Der gröbste Depp wirkt amüsant und spritzig.
Mein Spirit ist vom Spiritus durchtränkt.
Kaum eine Zelle die noch nüchtern denkt.

Idiotenlässig kreisle ich dahin,
Ein Peinlichkeitsmagnet voll Endorphin.
So schwank ich durch Gespräche hin und her,
Das Denken fällt mir Blutgerinnselschwer.

Am nächsten Morgen dröhnt der Wimpernschlag.
Ich heule auf, verfluche Nacht und Tag.
Und schwör bei meinem nicht sehr fernen Grabe,
Dass ich zum letzten Mal gesoffen habe.

Jedoch, das Fleisch besiegt den Geist um Längen,
Zu vieles muss ich einmal mehr verdrängen.
Der Alkohol versöhnt mich mit der Welt.
Ein Spießer wer nun schlechtes von mir hält…

© Sybille Lengauer

Der Bulle

Ein Bulle stolz zur Koppel geht,
– die Hörner leicht nach Rechts verdreht,
– die Schnauze in der Brise,
Freut er sich auf die Wiese.

Doch was er sieht empört ihn sehr,
Denn Schäflein tanzen dort einher,
Wo er es ihnen untersagt,
Weil ihm solch Treiben nicht behagt.

Da schießt die Wut ihm ins Gehirn,
Beult mächtig aus die Bullenstirn,
Schon scharrt er wild mit seinem Fuß,
Schaum fließt vom Maul im Überfluss.

Und rasend brüllt er zu den Schafen:
„ Räumung – oder es gibt Strafen!
Schiebt ab ihr faules Lumpenpack,
Bevor ich euch in Stücke hack!“

Doch rufen ihm die Schäflein zu:
„Verzieh dich Bulle, schlapper du,
Zu bleiben das ist unser Recht,
Frag unsern Bauern: Berthold Brecht!“

Der Bulle schreit in Agonie,
Denn Brechtgesinnt war er noch nie,
So richtet er in blindem Wahn,
Ein schauderlich Gemetzel an.

Ob Lämmchen oder Muttertier,
Er drischt hinein, ganz wilder Stier,
Da hilft kein Flennen und kein Klagen,
Der Bulle schnauft nur vor Behagen.

Zertrampelt roh die ganze Herde,
Blutgetränkt sind Gras und Erde,
Und als er – nur aus Atemnot –
Kurz innehält, sind alle tot.

Zufrieden steht der Bulle da,
Denn dass es pure Notwehr war,
Aus der heraus er sich verteidigt,
Dies schwört er – wenn man ihn vereidigt.

„Wo kämen wir denn bitte hin,
Wenn ich der Schafe Widersinn,
Würd teilnahmslos ertragen?“
Tät er den Richter fragen.

So hebt er stolz sein Bullenhaupt,
Und weiß sein Handeln ist erlaubt,
Denn was ein Richter schätzt am Schaf,
Ist wenn es fügsam bleibt und brav.

© Sybille Lengauer