Hallo ihr Lieben,
bevor ich mich in den wohlverdienten Urlaub verabschiede, lasse ich euch diesen kleinen Nicht-Krimi hier, der es einfach nicht geschafft hat, eine richtige Geschichte zu werden. Manchmal will es einfach nicht sein, trotzdem darf der Text hier auf der Seite bleiben. Wir lesen uns hoffentlich nach dem Urlaub wieder, ich wünsche euch allen angenehme Tage!
Sy
Sommerloch (Kein Krimi)
Alles begann an einem drückend heißen Dienstagnachmittag im Juni 2019, an dem niemand mit dem Beginn einer Geschichte gerechnet hätte. Die Temperatur war im Laufe des Tages auf ungewöhnliche 35 Grad Celsius gestiegen, wie flüssiges Weißgold brannte die Sonnenscheibe auf ganz Deutschland herab. In den Metropolen begann der Asphalt zu glühen, in den Dörfern lagerten Fuchs und Hase unter den Büschen und schliefen.
Im dritten Stock der Stadtverwaltung M. schwitzte der städtische Angestellte Hermann Worms betrübt vor sich hin, während vor dem Fenster seines stickigen Büros die Mauersegler schrien. Sehnsüchtig dachte er sich an die Seite der akrobatischen Flieger, träumte sich unter dem wolkenlosen Himmel kreisend, ein farbenfrohes Häusermeer tief unter seinen Schwingen. Das schrille Läuten des Telefons riss ihn aus der Fantasie zurück in die banale Realität des Ordnungsamtes. Hermann Worms blinzelte gereizt, nur widerwillig nahm er das Gespräch entgegen. Ein aufgebrachter Anrufer meldete in kurzen, abgehackten Sätzen einen Kühlschrank, den er soeben bei einem Spaziergang im Naturschutzgebiet entdeckt hatte und forderte dessen umgehende Entsorgung. Mürrisch notierte Hermann Worms die Wegbeschreibung zu dem kleinen Waldstück und legte auf, ohne sich zu bedanken. Er verfasste eine kurze E-Mail an den zuständigen Entsorgungsdienst, dann vergaß er die ganze Angelegenheit umgehend und folgte in seinen Gedanken wieder den melancholischen Rufen der Mauersegler, die vor seinem Bürofenster kreisten.
Kaum eine halbe Stunde später las ein ebenso schwitzender und desinteressierter Angestellter des Entsorgungsdienstes die lieblos verfasste E-Mail. Guido Bergmann, der in einem genauso stickigen Büroräumchen des Wertstoffhofes M.-West saß und sich nach einer Zigarette sehnte, beschloss, dass jener illegal deponierte Kühlschrank auch noch in ein paar Tagen im Wald anzutreffen sei. Nämlich am besten dann, wenn sein Kollege Berthold Rosen aus dem Urlaub zurückgekehrt wäre, um diese unliebsame Aufgabe zu übernehmen. Guido Bergmann verfasste also eine kurze Notiz, die er auf Wiedervorlage setzte, dann vergaß er den Auftrag bei einer Zigarette, die er genüsslich in einer schattigen Ecke des Wertstoffhofes rauchte. Drei Tage später wurde eben jene Notiz erneut auf Wiedervorlage gesetzt, diesmal von einem verärgerten Berthold Rosen, der sich kopfschüttelnd über die Faulheit seines Kollegen Guido Bergmann echauffierte.
Und so begab es sich, dass der Kühlschrank noch weitere zehn Tage im Wald lag, bevor er schließlich geborgen und zum Wertstoffhof M.-West verbracht wurde. Zehn Tage, in denen die zerstückelte Leiche bis zur Unkenntlichkeit verweste, die im Inneren des Kühlschranks versteckt worden war. Zehn Tage, in denen sich die Spur des Täters unwiederbringlich im wuchernden Unterholz des Waldes verlor. Zehn Tage, nach denen sich niemand mehr erinnerte, wer den Fund bei der städtischen Behörde gemeldet hatte. Und die Zeit verging.
Peter Schaffner hatte es satt. Frustriert stand der Journalist vor dem dampfbeschlagenen Spiegel seines Badezimmers, die Zahnbürste hing ihm schräg aus dem Mund, während er gelangweilt sein verschwommenes Spiegelbild anstarrte. Drei Wochen waren vergangen, seit man die stark verwesten Leichenteile im Kühlschrank entdeckt hatte und so sehr er sich auch bemühte, er konnte der Story keine weiteren Höhepunkte entlocken. Die Polizei trat auf der Stelle, die Identität der Leiche konnte nicht geklärt werden, die Suche nach dem Täter verlief ergebnislos. Seine Anrufe auf dem Präsidium wurden höflich abgewehrt, seine Anfragen bei der Stadt kommentarlos blockiert. Die Story war ausgelutscht, noch bevor sie richtig in Fahrt gekommen war und Peter Schaffner wusste das. Ein Klopfen an der Badezimmertür riss ihn aus seinen unerfreulichen Gedankengängen. Er zog die Zahnbürste aus dem Mund, beendete seine Morgentoilette und drückte sich mit einem kurzen Grunzen an seiner Frau vorbei, die ungeduldig im Flur stand und wartete. An diesem Vormittag verfasste Peter Schaffner eine Nachricht an seinen Chefredakteur, in welcher er um die Zuteilung eines neuen Themas bat. Keine zwei Stunden später machte er sich bereits auf den Weg, um über die Renovierung des städtischen Tierheims zu berichten.
© sybille lengauer
Glühender Asphalt, der Hase grad in des Fuches Schatten verweilt,
Hermann, ein Kerl wie ein Kühlschrank, wird aus seinen Flugträumen gerissen,
lässt bei seinem Schreiben an den desinteressierten Entsorgungdienstangestellen das angemessene Feingefühl vermissen. Daraufhin nimmt das lockere Arbeitszuweisungsspiel seinen kreativen Lauf, was einem leicht gehirnverbrannten Sommerlochmörder – wen wundert’s bei der Hitze – zu einem unaufholbaren Vorsprung verhalf. Grunzepeter, der mäßig erfolgsverwöhnte Journalist war um seinen Erfolg gebracht und landet im Tierheim – so ein Mist!
Ich habe den Kein-Krimi gelesen und so kurz vor dem Urlaub finde ich den No-Krimi richtig gut – echt! Ganz ehrlich? Mir hätte die Story auch nach dem Urlaub ausgezeichnet gefallen! Wäre sie allerdings während des Urlaubs zustande gekommen, dann, ja dann …
YDu
Schöne Abschlußgeschichte. Dann wünsche ich einen ebenso schönen Urlaub liebe Sybille.