Die Trennung
„Wir sollten uns trennen.“ sagte er und brach in Tränen aus.
Ich kann es nicht genau erklären, aber ich empfand tiefe Erleichterung, als er diese Worte aussprach. Monatelang war er um unsere Beziehung herumgeschlichen, hatte sich mit lausigen Vermeidungstaktiken vor Gesprächen gedrückt – oder gar nicht mehr den Weg nach Hause gefunden. Monatelang war ich gegen seine Mauer aus Schweigen gerannt, hatte mich mit lausigen Lügen abspeisen lassen – oder gar keine Fragen mehr gestellt. Bis jegliche Zirkulation erstarb und sich nichts mehr regte in dieser endlosen Todeszone, zu der unsere Ehe geworden war.
Doch an jenem Abend saßen wir uns am zerkratzen Küchentisch gegenüber und die Lethargie zerriss. Endlich kam es zu einer Entladung und die erdrückende Schwere, die auf mir gelastet hatte wie die bleierne Schwüle vor einem Gewitter, fuhr von meinem Herzen direkt in den Fußboden hinein. Ich hatte das Gefühl kleine Funken zu schlagen, als ich ihm eine Packung Taschentücher reichte und nach seiner Affäre fragte. Er weinte noch mehr und ich erinnere mich nicht genau, was dann gesprochen wurde, doch es waren sicherlich keine harten Worte, wir sprachen angemessen freundlich zueinander. Denn so sollte man sich auf einer Beerdigung verhalten, während man zu Grabe trägt, was man einst stürmisch geliebt und woran man sich später innig gewöhnt hat. Bis man sich, im eintönigen Lauf der Jahre, schließlich entwöhnt hat und alles zu liebloser Gewohnheit wird, aber das merkt man meistens erst, wenn es zu spät ist. Denn sie entwickelt sich ja schleichend, diese ominöse Liebe und manchmal verpasst man die Entwicklung und endet an einem zerkratzen Küchentisch.
Später an jenem Abend, als ich auf der Couch saß und in die Stille lauschte, als die freudlose Leere sich zu mir setzte und die vielen Wenns, Abers und Vielleichts sich zu einer endlosen Prozession aufreihten, die glockenschlagend und krakeelend durch mein Gehirn zog, da überrollten auch mich die Tränen. Aber meine erste Empfindung war tiefe Erleichterung, in die sich leise das Gefühl eines Abschieds für Immer mischte.
© sybille lengauer