Archiv für Januar, 2022

Liebe Lesende,
gestern Abend erreichte mich eine ganz liebenswürdige Rezi zu meiner neuen Kurzgeschichtensammlung „Ziemlich schlechte Nachrichten“ ( erschienen bei Rodneys Underground Press), die ich euch natürlich nicht vorenthalten möchte. Im Anschluss folgt ein kleiner Textauszug, für den Rest bitte einfach den eingebetteten Link klicken und direkt bei SchafeSchüsse weiterlesen. Und wenn ihr schon einmal dort seid: lest gleich noch ein paar der interessanten und gut durchdachten Blogeinträge, es wird euch nicht schaden, versprochen.

Textauszug: „Schon allein das tolle Coverartwork ihres neuen Buches versetzte in hellste Vorfreude vor Antritt der „Lesereise“ durch all‘ die Geschichten, die sich dieses Mal auf 187 Seiten (abzüglich natürlich des Inhaltsverzeichnis etc.) erstrecken und in ungeahnt dunkle Abgründe führen. Zu Beginn (sowie am Schluss des Buches) führt Sybille Lengauer per „Das Foto vom Sunset upon Aurillac“ den/die Leser/-in behutsam-, aber doch trittsicher per schmalen Drahtseilakt per anspruchsvoller Gedankenkost langsam in die Kernwelt dieses Buches ein, deren Vorpforte „Die Wunderkröte“ etwas von einem leicht verdaulichen Gruselfilm hat. Und auch wenn „Cat-astrophen“ noch etwas von langsam aufziehenden Sturmböen hat, ist man ab „Das Zimmer“ mittendrin in der Welt aus verschiedenen Nuancen des Ablebens oder des Ableben-Lassens…“

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Danny B. Helm von SchafeSchüsse und wünsche euch allen ein angenehmes Lese-Wochenende…

Eure Sy

sy grinsi 2020

Ich bin eckig

Hätt’ ich nen Wunsch frei (von der Leber),
Von einem holden Wunschvergeber,
Ich wünscht’ mich lieb und rund und nett,
Charmant – bisweilen gar kokett,
Ich wünscht’ mich heil und brav und gut,
Von Kopf bis Fuß voll Lebensglut,
Ich wünscht’ mein Herzlein froh und rein,
Nur Heititeiti. Sonnenschein.
Doch sind solch holde Wünschegeber,
Längst ausgestorben (frag’ die Leber),
So muss ich bleiben was ich bin,
Mehr Fehllos, als der Hauptgewinn,
Nicht froh, nicht rund, schon gar nicht nett,
Charmant nur schlafend, nachts, im Bett,
Nicht heil, nicht brav, kein bisschen gut,
Ein Aschehäufchen mit viel Wut,
Mein reines Herzlein – leider dreckig,
Ich bin nicht rund, nein, ich bin eckig.

© sybille lengauer

Maschinentrauma

12. November 2072,
Drei Jahre nach dem Untergang der Menschheit

Bar jeder lebendigen Seele liegen die Straßen der Stadt, diffuse Schwermut wabert zwischen den Gebäuden. Grau und bedrückend zeigt sich das Wetter an diesem stillen Novembernachmittag, zeigt sich das postapokalyptische Antlitz der einstmaligen Metropole. Drei Gestalten wandern durch einen Randbezirk dieser betongewordenen Depression, drei Gestalten, die man bei schlechtem Licht mit Menschen verwechseln könnte, doch keine von ihnen atmet die toxische Luft, die sie unsichtbar von allen Seiten umgibt und auch einen Herzschlag wird man bei ihnen nicht finden. Ganz gleich wie sehr sie äußerlich humanoiden Kreaturen ähneln mögen, handelt es sich doch um Maschinen, die einst erdacht und erschaffen wurden, um der Menschheit zu Diensten zu sein. Da nach dem großen Kriege jedoch kein Mensch mehr vorhanden, der bedient und umhegt werden könnte, liegt es an ihnen, einen neuen Sinn für ihre Existenz auf dem nunmehr lebensfeindlichen Planet Erde zu finden. Die drei Maschinen steuern langsam auf ein schlichtes Einfamilienhaus am Ende einer Sackgasse zu und führen ein freudloses Streitgespräch…

TaNa1: Geht’s etwas schneller? Wenn wir uns nicht beeilen sind die Energiehäppchen weg, ihr wisst doch wie gefräßig EnRy00 ist und der kommt nie zu spät.
KinDr47: Wenn du nicht ständig herumnörgeln würdest, kämen wir vielleicht etwas schneller vom Fleck.
TaNa1: Ha, von wegen. Wenn ich nicht ständig herumnörgeln würde, kämen wir niemals irgendwohin.
KinDr47: Niemand zwingt dich bei uns zu bleiben. Geh’ doch schon vor, wenn du so dermaßen energiebedürftig bist. Wir kommen auch prima ohne dich zurecht, stimmt’s Vel?
Velvo, der mit gesenktem Kopf neben den beiden Streithähnen über den Asphalt schlurft, grunzt eine unverständliche Antwort.
TaNa1: Es geht nicht um meinen Energiebedarf, es geht ums Prinzip! Wenn wir zu spät kommen sind alle guten Plätze besetzt und…
KinDr47: Und dann musst du wieder ganz hinten in der zugigen Ecke sitzen, was natürlich nicht auszuhalten ist. Ich weiß, ich weiß. Alle wissen es! Jeder hat beim letzten Mal dein nicht enden wollendes Lamento mitangehört, du hast dich ausreichend laut und lange genug beschwert.
TaNa1: He! Moment mal! Du hast selbst gesagt, dass es in der Ecke zugig war!
KinDr47 gibt ein übertrieben künstliches Lachen von sich und schlendert betont langsam weiter die Straße entlang.
TaNa1: Dein irrationales Verhalten treibt mich in den Wahnsinn, 47. Es treibt einen in den Wahnsinn, nicht wahr Vel?
VelVo: Ich weiß gar nicht warum ich überhaupt noch mit euch mitkomme. Ihr zankt ständig über jede Kleinigkeit und am Ende hören wir uns doch nur wieder denselben rührseligen Quatsch über die gute alte Zeit an. Sinnkrise hier, Depression da, blablabla. Ganz ehrlich, ich habe die Gruppensitzungen satt. Ich habe das alles hier satt. Ich habe. Es. Satt!
TaNa1: Wenn wir weiter so langsam dahinschleichen wirst du auch als einziger satt bleiben.
KinDr47: Ich fasse es nicht, du bist so ein widerlicher Nörgler!
VelVo: Ach, haltet doch beide die Klappe.
Die Maschinen erreichen endlich das Einfamilienhaus, über der Eingangstüre steht in gut lesbaren Großbuchstaben: ‚Mach aus deinem Trauma einen Traum. Wir helfen dir dabei! Maschinentraum(a) e.V.‘ VelVo bleibt demonstrativ auf der Straße stehen, steckt seine Hände in die Hosentaschen und zieht ein langes Gesicht.
TaNa1: Was ist, Vel. Kommst du nun mit rein, oder nicht?
VelVo: Oder.
TaNa1: Was soll das für eine Antwort sein? Ja oder nein!
Velvo: Weiß nicht.
KinDr47: Hör auf ihn zu bedrängen, du siehst doch, dass es ihm nicht gut geht.
TaNa1: Also ich gehe jedenfalls. Ihr könnt ja hier draußen Rost ansetzen, wenn ihr unbedingt wollt.
KinDr47: Ja, ja. Geh’ du nur zu deinen Häppchen. Ich bleibe bei Vel.
VelVo: Das ist nicht nötig, ich…
KinDr47: Oh doch, das ist nötig. Du bist ja ganz durcheinander, mein Freund.
VelVo: Bitte, 47. Ich möchte lieber alleine sein.
KinDr47: Na gut, wenn du das möchtest, muss ich es respektieren. Mach nur bitte nichts unüberlegtes, ja?
VelVo zwingt ein Lächeln auf seine blassen Lippen und nickt, KinDr47 erwidert das Lächeln und folgt TaNa1 zur Gruppensitzung. Kaum hat sich die Eingangstür hinter den beiden geschlossen, verschwindet das Lächeln aus VelVos Gesicht, bekümmert setzt er sich auf eine nahegelegene Treppenstufe und vergräbt den Kopf zwischen seinen Händen.

© sybille lengauer

EifersuchtSucht
(Ein hässliches Gedicht über ein hässliches Gefühl)

Eifersucht sucht Sucht
Eifersucht sucht Sucht
Eifersucht frisst Liebe
Eifersucht bricht Herz
Eifersucht sucht Sucht
Eifersucht sucht Sucht
Eifersucht birgt Leiden
Eifersucht säht Schmerz
Eifersucht sucht Sucht
Eifersucht sucht Sucht
Geifer Geifer Eifer!
Sucht.
Eifersucht sucht Sucht
Eifersucht sucht Sucht
Eifersucht bricht Liebe
Eifersucht frisst Herz
Eifersucht sucht Sucht
Eifersucht sucht Sucht
Eifersucht säht Leiden
Eifersucht birgt Schmerz
Eifersucht sucht Sucht
Eifersucht sucht Sucht
Geifer Geifer Eifer!
Sucht.

© sybille lengauer

Liebe Lesende, ich wurde von Fabian Lenthe, stellvertretend für Rodneys Underground Press, mit 10 Fragen bedacht und habe hier die Antworten für euch parat. Viel Vergnügen und all das. Eure Sy.

RUP//10VONZEHN präsentiert seine Autor:innen, stellt ihnen zehn Fragen über alles und nichts, und drei Gedichte aus ihren aktuellen Werken vor. Sybille Lengauer, geb. 1980 in Linz/Österreich, schreibt Gedichte und Kurzgeschichten. Sie hat in einer Vielzahl von Literaturmagazinen und Anthologien veröffentlicht und bereits mehrere eigene Publikationen, darunter Gedichtbände und Kurzgeschichten. Ihre letzten beiden bei RUP erschienenen Werke tragen die Titel „Mottengedanken“(2020), und „Ziemlich schlechte Nachrichten“(2021). Wie immer erhältlich auf: www.undergroundpress.de

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ACHTUNG: Da wir heute einen Auszug aus der Kurzgeschichte „Heinrich“, aus dem Band „Ziemlich schlechte Nachrichten“, zeigen, steht dieser am Ende des Interviews zum Lesen bereit. Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit!

RUP//10VONZEHN INTERVIEW

1.Erinnerst du dich daran, weshalb du zu schreiben begonnen hast?

Als Kind war ich zu groß, zu wild, zu dreckig und zu laut (für ein Mädchen), habe mich oft gefühlt wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen. In meinen Gedichten & Geschichten konnte ich ausdrücken was unter der Elefantenhaut lag.

2.Was treibt dich zum nächsten Satz?

Manchmal das reine Kopfchaos, das raus will. Manchmal läuft aber auch „der Film“ und ich muss schreiben, bis die betreffende Geschichte fertig erzählt ist.

3.Könntest du dir vorstellen mit dem Schreiben aufzuhören, und was würdest du stattdessen tun?

Schwierig-schwierig. Ohne kreatives Ventil werde ich schnell ungemütlich, da müsste also Ersatz her – wird Art Brut eigentlich heutzutage noch ausgestellt?

4.“Write drunk, edit sober“ ?

Hat das schon mal jemand andersherum probiert?

5.Wie schätzt du die Lage und Bedeutung der Lyrik (Literatur) heute ein, und was müsste sich, falls nötig, verändern?

Die Lyrik ist tot, lang lebe die Lyrik. Verändern muss sich maximal die Grundeinstellung, Lyrik ist überall und nicht nur zwischen Buchdeckeln zu finden.

6.Was denkst du über den Literaturbetrieb im Allgemeinen?

Was denkt ein Seestern über den Ozean im Allgemeinen?

7.Nenne drei Schriftsteller:innen/ Dichter:innen, die auf deutsch schreiben, und die du uneingeschränkt empfehlen würdest.

Michael Ende, Blixa Bargeld, Michael Schweßinger

8.Verfolgst du Ziele mit deiner Literatur, und wenn ja, welche?

Unbequeme Themen aufgreifen und den Lesenden mal sanft, mal mit Gewalt auf’s Auge drücken.

9.Gib einen Schreibtipp.

Lerne mit Kritik umzugehen.

10.Inselfrage!

3 Bücher:

-Fauna und Flora der Insel

-Geschichte der Insel (war sie früher ein Piratenstützpunkt und wenn ja, sind vielleicht noch irgendwo Schätze vergraben?)

-Ich wette auf einer einsamen Insel kann man die Sterne gut beobachten, also ein entsprechendes Buch über Sternbilder und Phänomene, die im dortigen Himmel zu erwarten sind

.3 Filme:

Ich fahre doch nicht auf eine einsame Insel, um mir Filme anzusehen, die ich auch prima zuhause gucken kann. Ich bin auf der Suche nach dem Piratenschatz!

3 Platten:

Ich würde mir selbstverständlich einen Mix mitnehmen. Wahrscheinlich den Soundtrack zum Spiel „Life is Strange“, dazu noch ein bisschen Hüpftanz-Musik und für die Nacht etwas von den Einstürzenden Neubauten.

Danke, Sybille!

Danke Fabian!

Heinrich, der DetekivWenn du den Leuten erzählst, dass du von Beruf Barkeeper bist, denken die meisten sofort du würdest nur nächtelang hinter irgendeinem schummrig beleuchteten Tresen lehnen, gelegentlich ein wenig Alkohol ausschenken und endlos Gläser polieren. Sie stellen sich vor, deine Hauptaufgabe bestünde darin besoffenen Vollversagern zuzuhören, die ihr Herz ausschütten und ihr Bewusstsein zuschütten wollen und ihnen das Geld mit überteuerten Cocktails aus der Tasche zu ziehen. Irgendwie kommt ihnen nie in den Sinn, dass der Beruf des Barkeepers ein echter Knochenjob ist: die langen, langen Nachtschichten im Stehen (hast du schon mal einen Barkeeper gesehen, der sich während der Arbeit hingesetzt hat?), die Dauerbelastung durch denn gottverdammten Lärm und der anhaltende Stress (hast du schon mal einen Landfrauen-Kegelverein zu Gast gehabt, während gleichzeitig zwei Junggesellenabschiede und eine Geburtstagsfeier stattfinden?), früher kam noch der Rauch von hunderten Zigaretten hinzu, dafür bläst dir heutzutage ständig irgendeine blöde Klimaanlage den Nacken steif – all das erträgst du mit einem Lächeln im Gesicht und einem flotten Spruch auf den Lippen, denn ein schlecht gelaunter Barkeeper macht kein Geschäft und ist bald ein arbeitsloser Barkeeper. Von der seelischen Belastung dieser gute-Laune-Diktatur, von den Bandscheibenvorfällen und entzündeten Gelenken, den Krampfadern und chronischen Hämorrhoiden will ich gar nicht erst anfangen, doch all das sehen die Leute nicht, wenn du ihnen erzählst, dass du Barkeeper bist, sie sehen nur ein Klischee, das sich in ihren Köpfen festgesetzt hat und das genügt ihnen schon. Aber vielleicht muss das ja so sein, vielleicht sehen wir ständig nur die Klischees der Begriffe, ohne sie jemals wirklich wahrzunehmen, sehen immer nur die fadenscheinige Kulisse, ohne dahinter schauen zu wollen. Darum halten wir anzugtragende Bankiers für schlau und kopftuchtragende Putzfrauen für dumm und Barkeeper eben für so etwas wie das Inventar einer Bar, ein mobiler Getränkespender mit Puls, gesichtslos und zur erleichterten Handhabung mit einem Namensschild versehen, auf dem nur der Vorname steht: ‚Es bedient Sie Roberto‘ und alles wird gut. Und vielleicht ist es richtig, sich nicht allzu sehr für sein Gegenüber zu interessieren, da wir ja allesamt, ganz nach Klischee, unser Päckchen zu tragen haben und wo kämen wir da hin, wenn sich jeder ständig für die Lebenszustände des anderen interessieren und sogar noch verantwortlich fühlen müsste? Wir würden aufgerieben werden und schließlich den Verstand verlieren, so wie diese armen Irren, die sich die Schädel kahlrasieren und auf der Straße Umarmungen für Krishna verteilen oder was weiß ich – oder wir würden Tag und Nacht Tränen vergießen ob der schieren Ungerechtigkeit der Welt und unseres Lebens nicht mehr froh…

Ein Tag ist Pastell

Ich schreibe dir einen pastellfarbenen Tag,
Male Pfützen, cremeweiß glänzend, in den schwarzen Asphalt,
Hänge eisblaue Tropfen in die Zweige der Bäume,
Und eine hellgelbe Sonne in den blassblauen Himmel,
Mein dampfender Atem steigt aus der Biegung des Flusses,
In den taustarren Wiesen will ich dir Liebeslieder singen,
Ich schreibe dir einen pastellfarbenen Tag.

© sybille lengauer