Archiv für die Kategorie ‘Gefasel’

Kurzgedanke zum Künstlersterben

„Vielen Künstlern geht es im Augenblick wirklich schlecht…“
„Tja, kennst du die Geschichte von der Grille und der Ameise?“
„Meinst du diese furchtbare Geschichte in der die Grille im Winter verhungern muss, weil sie das ganze Jahr lang musiziert hat?“
„Ja, genau die.“
„Hm. Ja, kenne ich. Kennst du den zweiten Teil der Geschichte?“
„Welchen zweiten Teil?“
„Na den Teil in dem sich die Ameise im Keller erhängt, weil es den ganzen verdammten Tag lang nur noch scheißöde Ameisenpolka zu hören gibt, seit die Grillen tot sind.“
„Das ist nicht lustig.“
„Genau das.“

Es geht weiter

Veröffentlicht: Februar 11, 2020 in Gefasel
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Es geht weiter…
(Auszug aus „Hirnwichsen“, Text ca. 2002)

Verhungert im Gefühlsbereich und trotzdem übersättigt von all den Liebesbeteuerungen, die man sich zur Bestätigung immer wieder um die Ohren schleimt, so wie Hunde sich gegenseitig am Arsch beriechen. Emotional ausgedörrt und chronisch unterfickt, obwohl man sich doch regelmäßig gegenseitig das Gehirn herausvögelt, um zu beweisen, wie geil man immer noch aufeinander ist. Seit ach so langer Zeit. Und es geht weiter. Was man so denkt, was man so gemacht hat, wo man so war und wie es da gewesen ist, alles wichtig, damit einem der Gesprächsstoff nicht ausgeht, weil Schweigen ja der Tod ist. Obwohl es doch nichts Schöneres gibt, als auch wortlos glücklich zu sein. Mhm.
Die richtigen Gedanken teilt man dann mit dem kleinen Arschloch im Gehirn, das einem vom eigenen Verfallsdatum erzählt und wissen möchte, was man im Leben eigentlich noch so vorhat, außer nett, glücklich und zufrieden sein. Und man schämt sich, dass man genau DAS nicht ist und eigentlich auch gar nicht sein will, weil die Motivation fehlt, man am Ziel schon längst vorbeigeschossen ist und eigentlich auch sich selbst schon längst aus den Augen verloren hat. Unzufrieden und doch gut eingelullt von der allgemeinen Lebensbequemlichkeit, voll Tatendrang, wenn’s mal wieder nichts zu tun gibt, aber leider mit allen möglichen Unmöglichkeiten beschäftigt, sollte doch einmal etwas Wichtiges anstehen. So vergeht das Leben und geht doch weiter und immer weiter, bis man irgendwann zu alt ist, um das Arschloch im Hirn zu finden, da es sich mittlerweile nach Südtirol abgesetzt hat und dort Ski fährt, weil man selbst nichts mehr zum Kotzen findet, als Schnee…

© sybille lengauer

(Fast 20 Jahre später kann ich meinem jüngeren Schreiber-Ich versichern, dass das kleine Arschloch im Gehirn immer noch da ist. Wir haben uns sehr aneinander gewöhnt und Schnee ist unser Freund geworden…)

Sommerloch (Kein Krimi vor dem Urlaub)

Veröffentlicht: Juli 17, 2019 in Gefasel
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Hallo ihr Lieben,
bevor ich mich in den wohlverdienten Urlaub verabschiede, lasse ich euch diesen kleinen Nicht-Krimi hier, der es einfach nicht geschafft hat, eine richtige Geschichte zu werden. Manchmal will es einfach nicht sein, trotzdem darf der Text hier auf der Seite bleiben. Wir lesen uns hoffentlich nach dem Urlaub wieder, ich wünsche euch allen angenehme Tage!
Sy

Sommerloch (Kein Krimi)

Alles begann an einem drückend heißen Dienstagnachmittag im Juni 2019, an dem niemand mit dem Beginn einer Geschichte gerechnet hätte. Die Temperatur war im Laufe des Tages auf ungewöhnliche 35 Grad Celsius gestiegen, wie flüssiges Weißgold brannte die Sonnenscheibe auf ganz Deutschland herab. In den Metropolen begann der Asphalt zu glühen, in den Dörfern lagerten Fuchs und Hase unter den Büschen und schliefen.
Im dritten Stock der Stadtverwaltung M. schwitzte der städtische Angestellte Hermann Worms betrübt vor sich hin, während vor dem Fenster seines stickigen Büros die Mauersegler schrien. Sehnsüchtig dachte er sich an die Seite der akrobatischen Flieger, träumte sich unter dem wolkenlosen Himmel kreisend, ein farbenfrohes Häusermeer tief unter seinen Schwingen. Das schrille Läuten des Telefons riss ihn aus der Fantasie zurück in die banale Realität des Ordnungsamtes. Hermann Worms blinzelte gereizt, nur widerwillig nahm er das Gespräch entgegen. Ein aufgebrachter Anrufer meldete in kurzen, abgehackten Sätzen einen Kühlschrank, den er soeben bei einem Spaziergang im Naturschutzgebiet entdeckt hatte und forderte dessen umgehende Entsorgung. Mürrisch notierte Hermann Worms die Wegbeschreibung zu dem kleinen Waldstück und legte auf, ohne sich zu bedanken. Er verfasste eine kurze E-Mail an den zuständigen Entsorgungsdienst, dann vergaß er die ganze Angelegenheit umgehend und folgte in seinen Gedanken wieder den melancholischen Rufen der Mauersegler, die vor seinem Bürofenster kreisten.
Kaum eine halbe Stunde später las ein ebenso schwitzender und desinteressierter Angestellter des Entsorgungsdienstes die lieblos verfasste E-Mail. Guido Bergmann, der in einem genauso stickigen Büroräumchen des Wertstoffhofes M.-West saß und sich nach einer Zigarette sehnte, beschloss, dass jener illegal deponierte Kühlschrank auch noch in ein paar Tagen im Wald anzutreffen sei. Nämlich am besten dann, wenn sein Kollege Berthold Rosen aus dem Urlaub zurückgekehrt wäre, um diese unliebsame Aufgabe zu übernehmen. Guido Bergmann verfasste also eine kurze Notiz, die er auf Wiedervorlage setzte, dann vergaß er den Auftrag bei einer Zigarette, die er genüsslich in einer schattigen Ecke des Wertstoffhofes rauchte. Drei Tage später wurde eben jene Notiz erneut auf Wiedervorlage gesetzt, diesmal von einem verärgerten Berthold Rosen, der sich kopfschüttelnd über die Faulheit seines Kollegen Guido Bergmann echauffierte.
Und so begab es sich, dass der Kühlschrank noch weitere zehn Tage im Wald lag, bevor er schließlich geborgen und zum Wertstoffhof M.-West verbracht wurde. Zehn Tage, in denen die zerstückelte Leiche bis zur Unkenntlichkeit verweste, die im Inneren des Kühlschranks versteckt worden war. Zehn Tage, in denen sich die Spur des Täters unwiederbringlich im wuchernden Unterholz des Waldes verlor. Zehn Tage, nach denen sich niemand mehr erinnerte, wer den Fund bei der städtischen Behörde gemeldet hatte. Und die Zeit verging.
Peter Schaffner hatte es satt. Frustriert stand der Journalist vor dem dampfbeschlagenen Spiegel seines Badezimmers, die Zahnbürste hing ihm schräg aus dem Mund, während er gelangweilt sein verschwommenes Spiegelbild anstarrte. Drei Wochen waren vergangen, seit man die stark verwesten Leichenteile im Kühlschrank entdeckt hatte und so sehr er sich auch bemühte, er konnte der Story keine weiteren Höhepunkte entlocken. Die Polizei trat auf der Stelle, die Identität der Leiche konnte nicht geklärt werden, die Suche nach dem Täter verlief ergebnislos. Seine Anrufe auf dem Präsidium wurden höflich abgewehrt, seine Anfragen bei der Stadt kommentarlos blockiert. Die Story war ausgelutscht, noch bevor sie richtig in Fahrt gekommen war und Peter Schaffner wusste das. Ein Klopfen an der Badezimmertür riss ihn aus seinen unerfreulichen Gedankengängen. Er zog die Zahnbürste aus dem Mund, beendete seine Morgentoilette und drückte sich mit einem kurzen Grunzen an seiner Frau vorbei, die ungeduldig im Flur stand und wartete. An diesem Vormittag verfasste Peter Schaffner eine Nachricht an seinen Chefredakteur, in welcher er um die Zuteilung eines neuen Themas bat. Keine zwei Stunden später machte er sich bereits auf den Weg, um über die Renovierung des städtischen Tierheims zu berichten.

© sybille lengauer

 

Dieses schabende, grausame Rauschen, tief in der Finsternis.

Wie soll ich es erklären.

Es ist wortlos.

Diese blinde, rasende Wut, unter den Jahresringen.

Wie soll ich sie besänftigen.

Sie ist endlos.

Diese nagende, fragende Sehnsucht, unter den Augenringen.

Wie soll ich sie stillen.

Sie ist arglos.

Dieses alberne, wiehernde Gelächter, unter dem Faltenrock.

Wie soll ich es mildern.

Es ist grenzenlos.

© sybille lengauer

Das letzte Quäntchen

Veröffentlicht: August 17, 2018 in Gefasel, Politisches
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Neulich schlug es noch, das Unverbesserliche.
Das unbeständige,
Das Unverständliche, das.
Schlug und flatterte ein bisschen.
Wo jetzt Ruhe herrscht.

Neulich hielt er noch, der Unerschütterliche.
Der Unbestechliche,
Der Unveränderliche, der.
Stand in der Brandung.
Wo jetzt Stille herrscht.

Neulich schwelte sie noch, die Unbeirrbare.
Die Unbezwingbare,
Die Unverantwortliche, die.
Raste mit dem Kopf voran.
Wo jetzt Schweigen herrscht.

Neulich, im neulich,
Ging es, ging er, ging sie.
Neulich, im neulich,
Ging es um dich und nicht um die.

(repeat)

© sybille lengauer

Ein Nicht-Gedicht

Veröffentlicht: Oktober 22, 2017 in Gefasel
Schlagwörter:, ,

Keine Regung, jede Bewegung führt zur Verhaftung.
Keine Liebe, alle Triebe führen zur Entwaffnung.
Tanzverbot. Es herrscht Tanzverbot.
Kein Springen, kein lautes Singen.
Kein gar nichts. Nichts. Aus!
Tanzverbot. Es herrscht Tanzverbot.
Deine Freude kannst du begraben, auf dem Hinterhof deiner Träume.
Deine Freunde kannst du gleich mit hinein, in die dunkle, feuchte Grube werfen.
Tanzverbot. Es herrscht Tanzverbot.
Aus dieser dunklen, feuchten Grube, erwächst vielleicht einmal ein Baum.
Aus seinem Holz kann sich ein neuer Träumer vielleicht etwas schnitzen.
Tanzverbot. Es herrscht Tanzverbot.
Keine Bewegung, jede Regung führt zur Verhaftung.
Keine Triebe, jedwede Liebe führt zur Entwaffnung.
Tanzverbot. Es herrscht Tanzverbot.
Die ganze Nacht lang.

© sybille lengauer