Mit ‘depressíon’ getaggte Beiträge

Cat-astrophen

Veröffentlicht: Juni 14, 2020 in Kurzgeschichten
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Cat-astrophen

Richard ist schon wieder in Selbstmordstimmung. Er schläft nicht, isst nicht, trinkt zu viel. Liegt die ganze Nacht lang stoppelbärtig auf der Couch und starrt den Flimmerkasten an. Seufzt manchmal wehleidig in Richtung Telefon, aber den Hörer nimmt er nicht in die Hand. Eigentlich könnte mir egal sein, ob er sich umbringt oder nicht. Seit ich herausgefunden habe wie der Wasserhahn in der Küche funktioniert, könnte ich ihn einfach machen lassen. Verdient hätte er es ja, für so viel Dummheit. Jedes Mal verteilt er Berge von Trockenfutter in allen Zimmern, aber an ausreichend Trinkwasser denkt er nicht. Ich könnte nach seinem Tod wochenlang fressen bis ich platze, wäre aber nach kurzer Zeit verdurstet, schönen Dank auch. Eigentlich könnte es mir wirklich egal sein. Aber irgendwie habe ich mich so an ihn gewöhnt… Das ganze Elend begann vor einigen Monaten, als uns die Frau-mit-gutem-Geschmack verließ, ohne ihre Zahnbürste mitzunehmen. Sie ging nach einem lauten Streit beim Frühstück und kam nicht mehr zurück. Ich vermisse ihre selbstgemachten Heringshäppchen in Aspik, die sie auf einem hübschen Teller mit Goldrand servierte. Nicht im Napf, nein, auf dem Teller! Ich vermisse die funkelnden Armreifen an ihren Handgelenken, die so verführerisch klimperten, wenn sie zärtlich mein Fell streichelte. Seit sie uns verlassen hat, überflutet Alkohol das Haus, Richard schleppt oft große Einkaufstüten herbei, in denen Rotweinflaschen klirren. Ich kann es nicht leiden, dass er sich besäuft, also versuche ich seine Exzesse zu verhindern. Ich habe bereits sämtliche Weingläser zu Boden geworfen, den Korkenzieher hinter dem Katzenklo versteckt und auf die Einkaufstüten gepinkelt. Aber Richard hat nur stoisch meine Pisse weggewischt, die Flaschenkorken mit dem Daumen eingedrückt und den Wein aus einem Senfglas getrunken. Zur Strafe habe ich einmal in seine Turnschuhe gemacht, doch auch das hat er wortlos hingenommen und die Schuhe einfach weggeworfen. Schließlich ging die Sache mit dem Trockenfutter los. In jedes Zimmer stellte er eine Schüssel voll, jeder Raum eine andere Geschmacksrichtung. Erst dachte ich, er wäre endlich vernünftig geworden und wolle sich für sein widerwärtiges Verhalten der letzen Zeit entschuldigen. Doch als er dann bei Kerzenschein und schummriger Musik in die Badewanne kletterte und weinend nach einer Rasierklinge griff, erfasste ich den wahren Grund seiner Großzügigkeit. Ich rettete sein Leben durch einen beherzten Sprung in die Wanne, ein Akt der spontanen Nächstenliebe, den ich im selben Moment bereute. Fast hätte ich ihn selbst zu Tode geschnetzelt, wir überlebten nur knapp und mit angeschlagener Würde. In den darauffolgenden Tagen ging es ein wenig bergauf mit ihm, Richard trank weniger, brachte die Wohnung in Ordnung und kaufte ein neues Kratzbrett für meine Spielecke. Die Futterberge verschwanden aus den Zimmern, was ich heimlich bedauerte, dafür schenkte er mir mehr Aufmerksamkeit und Wärme. Doch mein Glück hielt nicht lange an, Richard begann rasch wieder in seiner Traurigkeit zu versinken. Als er die Futterschüsseln erneut in die Zimmer stellte, war ich vorgewarnt. Ich beschloss, ihn besser nicht aus den Augen zu lassen, legte mich auf seinen Schlüsselbund und stellte mich schlafend. Während Richard fluchend die Wohnung auf den Kopf stellte, wich ich nicht von meinem Platz und fauchte, wenn er mir zu nahe kam. Ich lag auf dem Schlüsselbund, bis Richard die Suche aufgab und murrend den Flimmerkasten einschaltete.
Dieses Schlüsselspiel spielen wir seither alle paar Tage. Wenn Richard komisch wird liege ich schneller auf dem Schlüsselbund, als er blinzeln kann. Natürlich weiß ich, dass der Kampf so nicht zu gewinnen ist, aber was soll ich schon anderes tun? Ich bin nur ein verdammter Kater. Ich werde also die Rasierklingen verstecken und auf seinem Schlüsselbund schlafen, bis er das Schlimmste überwunden hat. Auch wenn es mir eigentlich egal sein könnte. Aber irgendwie habe ich mich so an ihn gewöhnt.

© sybille lengauer

Auf die Performance kommt es an.
In diesem Hundeleben.
Selbstdarstellung sells.
Und die Vögel sterben.

Keine falsche Bescheidenheit.
Auf diesem Höllenplaneten.
Von nichts kommt nichts.
Und die Insekten sterben.

Darf’s ein bisschen mehr sein?
Von diesem Alptraum.
Es wird einem nichts geschenkt.
Und die Fische sterben.

Es muss aufwärts gehen.
In diesem Irrenhaus.
Eine Wirtschaft muss wachsen.
Und die Amphibien sterben.

Wir werden Geschichte sein.
In dieser langen Erzählung.
Alles hat ein Ende.
Wir sterben.

© sybille lengauer

Asche

Veröffentlicht: August 14, 2013 in Gefasel
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Mein Luftschloss im Himmel. Treibt ziellos und langsam verfallend in der sanft leuchtenden Abendsonne. Von unzähligen Windstößen zerrieben, durch unglaubliche Zeiten verzehrt. Eine blau schimmernde Ruine im verblassenden Licht. Leere Fensterrahmen, vermodernde Türen. Kleine Bruchstücke von zartem Porzellan auf dem kalten Steinboden. Nur der Staub wagt noch kleine Spiele. Jagt seinen Schatten durch die eiskalten Zimmer. Kriecht in verborgene Ecken. Tanzt in wilden Teufelsspiralen im Kamin. Fragt, wohin wir gezogen sind. Alles nur noch Asche.

Doch wohin wir sind, Das weiß nur der Wind, Der uns treibt, Der uns treibt.

Mein Fels in der Brandung. Sinkt, bedeckt von Tang und schwer vom Salz, hinein in die unendliche See. Von unzähligen Wellen zerrieben, durch unglaubliche Prüfungen verzehrt. Ein dunkler Fleck in den umschlingenden Wogen. Mit jedem Schlag des Wassers kleiner werdend. Von Papageienfischen in kleine Stücke zerbissen, zu feinstem Sand gemahlen, der sich im Meer verliert. Nur die Sturmvögel wissen um diesen Verlust und weinen blutige Tränen. Sie kreisen über der Stelle, an der er Gischt und Sturmfluten trotzte. Singen krächzende Lieder auf seinen Untergang. Fragen, wieso wir verschwunden sind. Alles nur noch Asche.

Doch wohin wir sind, Das weiß nur der Wind, Der uns treibt, Der uns treibt.

Mein Ritter in strahlender Rüstung. Erstickt röchelnd und gurgelnd am eigenen Blut. Drückt mit der eisenumwobenen Hand das letzte bisschen Leben verzweifelt zurück in seinen Hals. Krümmt sich, bis der Schuppenpanzer bricht. Von unzähligen Kämpfen zerrieben, durch unglaubliche Taten verzehrt. Windet seinen sterbenden Körper in einer immer größer werdenden Lache. Zuckt, zittert, liegt schließlich still im Schein eines lächelnden Mondes. Von Ratten und Füchsen zerfressen, bleibt bald nur noch eine rostende Rüstung an der Stelle zurück, an der er mich verließ. Nur die Krähen feiern noch immer ein Fest an den wenigen Überresten. Delektieren sich an dem, was einst der Stolz meiner Armee war. Hocken in dicken, schwarzen Trauben um seinen zerbrochenen Panzer. Fragen, warum wir gegangen sind. Alles nur noch Asche.

Doch wohin wir sind, Das weiß nur der Wind, Der uns treibt, Der uns treibt.

© Sybille Lengauer

Herbstdepression

Veröffentlicht: September 28, 2012 in Geschichten oder so ähnlich
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Es stinkt nach Pisse. Der Geruch frisst sich penetrant in mein Gehirn.Die Straße glänzt grauschwarz, ist aalglatt. Tote Blätter kleben an meinen Schuhen, es schmatzt beim Gehen. Vor mir erstreckt sich ein öder Landweg. Schummrige Laternen, fast kahle Bäume, ein abgeerntetes Feld im Nebel. Es ist zum Sterben langweilig. Und stinkt nach Pisse. Ich atme flach, halte deine Hand, friere ein wenig. Wundere mich einmal mehr darüber, wie das Leben vergeht. Die Blätter, die sich noch an den Zweigen festkrallen, rascheln leise im Wind. In der Nähe blinkt ein Warnlicht. Du sagst, du kannst das pulsierende Licht der Großstadt sehen. Ich sehe nur eine banale Baustelle. In der Ferne ruft ein Käuzchen. Ich trete die Blätter von meinen Schuhen. Es stinkt nach Pisse, und wir gehen nach Hause. Keine Großstadt. Ein kleines Kaff. Ein kleiner Weg. Ein kleines Leben. Ich möchte dir gerne sagen, dass ich zufrieden bin. Erspare uns beiden die Lüge. Stattdessen drücke ich mich an dich und gehe langsam weiter. Vielleicht führt der Weg ja doch in ein Abenteuer? Wahrscheinlicher aber nur in die nächste Depression.

© Sybille Lengauer