Mit ‘Goldstaub und Ruinen’ getaggte Beiträge

Auf dem Friedhof

Veröffentlicht: Juli 2, 2019 in Gedichte
Schlagwörter:, , ,

(Finster war’s)

Finster war’s, der Mond schien helle,
Als sich an des Sarges Schwelle,
Schleichend flinke Finger regten.
Darinnen lagen stehend Leichen,
Suchten aus dem Grab zu weichen,
Als ein Igor, lieblich krächzend,
Um die runde Ecke bog.
Der schreit lautlos zu den Toten:
„Auferstehen ist verboten!“
Dreht sich um und rennt nach Haus,
Geschichte aus.

(c) sybille lengauer
(goldstaub & ruinen)

Ich bemale meine Haut mit Asche,

Weiß, so weiß wie Schnee,

Trage die Farbe gleichmäßig auf,

Lasse keine Pore unbedeckt.

Ich nehme einen abgenutzten Lippenstift,

Rot, so rot wie Blut,

Streiche ihn langsam auf meine Zähne,

Sehe mich dabei im Spiegel lächeln.

Ich wühle ein Stück Kohle aus dem Kamin,

Schwarz, so schwarz wie Ebenholz,

Reibe es dick auf meine Lippen,

Werfe meinem Spiegelbild einen Kussmund zu.

Ich verziere meinen Körper mit Perlen,

Schimmernd und zart wie die See,

Gehe barfuss durch das Eismeer meines Gartens,

Denn heute Nacht bin ich deine Königin.

(C) Sybille Lengauer

In meiner Sphäre

Veröffentlicht: Juni 16, 2011 in Gedichte
Schlagwörter:, , ,
Gelegentlich dachte ich
In meiner Sphäre
Träumte ich mein Leben.

Gelegentlich wachte ich
In meiner Sphäre
Träumte mich neu.

Gelegentlich dachte ich
In meiner Sphäre
Träumte ich mein Schicksal.

Gelegentlich wachte ich
In meiner Sphäre
Träumte mich frei.

Gelegentlich dachte ich
In meiner Sphäre
Träumte ich mich menschlich.

Gelegentlich wachte ich
In meiner Sphäre
Träumte mich neu.

Gelegentlich dachte ich
In meiner Sphäre
Träumte ich mich unendlich.

Gelegentlich wachte ich
In meiner Sphäre
Träumte mich frei.


© Sybille Lengauer (Goldstaub und Ruinen)

Westfälische Nachrichten,
Reim und Rhythmus mit Sybille Lengauer
Fintenreiche Meisterwerke

Ihre Lyrik steckt voller Brandsätze, ihre Prosa explodiert vor mutigen Wortkanonaden. Nicht nur mit ihrer äußeren Erscheinung ist Sybille Lengauer eine der schillernsten Persönlichkeiten innerhalb Münsters junger Literaten-Szene. 2002 kam sie der Liebe wegen aus dem österreichischen Linz ins Münsterland. Zu ihren Lesungen erscheint sie mit immer neuen extravaganten Outfits. Immer aber als eine „Diva zum Anfassen“, scheut sie sich nicht vor strapaziösen Fahrten, um beispielsweise Kollegen honorarfrei bei Benefiz-Veranstaltungen zu unterstützen.

Kompromisslos ist die Autorin Jahrgang 1980 nur, wenn es um ihre Texte geht. Während ihrer Auftritte bei Poetry-Slams verzichtet Sybille Lengauer nicht selten auf jegliche Form von Effekthascherei beim Vortrag. Wenn ihr am jeweiligen Abend ein bestimmter Text unter den Nägeln brennt, bezieht sie deutlich Stellung – ohne Rücksicht auf den Wettbewerb. Mit „Goldstaub und Ruinen“ veröffentlicht Sybille Lengauer nun bereits ihren dritten eigenen Band seit 2008, prall gefüllt mit neuer Lyrik und Prosa. Auf 130 Seiten findet der Leser über 80 Gedichte und Geschichten, gewidmet „all jenen, die gegangen sind und all jenen, die noch kommen werden“.

Sybille Lengauer beherrscht Reim und Rhythmus mit Leichtigkeit. Ihre Dichtung wirkt nicht gestelzt, ihre Erzählungen sind fintenreiche, kleine Meisterwerke. Mit Wortschöpfungen wie „Nespressonestwärme“ und „Kontaktarmutskinder“ präsentiert sie ihre Lust am spielerischen Umgang mit der Sprache. Leseproben finden sich auf zahlreichen Seiten im Internet. Während einer Book-Release-Party am heutigen 24. März um 20 Uhr in der Kulturkneipe „Frauenstr. 24“ wird Sybille Lengauer „Goldstaub und Ruinen“ offiziell der Öffentlichkeit vorstellen.

» Sybille Lengauer, „Goldstaub und Ruinen“ Edition PaperONE, 9.95 Euro.

Gerold Marius Glajch

Haben Sie Nachbarn, die sich auffallend kleiden?

Kennen Sie einen Herrn, der Kauderwelsch spricht?

Dann sollten Sie dringend Kontakte vermeiden!

Bestimmt ist’s ein Killer, auf Terror erpicht!

Sehen Sie auf den Straßen fiese Kopftuchschwadronen?

Hören Sie aus den Häusern Muselmanenmusik?

Bitte melden Sie dieses, man wird Sie belohnen!

Ein Danke vom Schutzmann, denn „melden“ ist Schick!

Hören Sie aus den Koffern am Bahnhof ein Ticken?

Wechseln Sie artig die Straße, wenn ein Ausländer kommt?

Dann möchte ich ihnen das Schweißhändchen drücken!

Endlich haben wir den Angststaat, der den Kleingeist belohnt!

Um ein Volk zu vergiften braucht es keinen Verführer!

Es braucht nur die Panik, die man Tag um Tag schürt!

Dann finden sich zügig die Brandsatzanrührer!

Wissen wir nicht schon lange, wohin uns das führt?

Haben wir nichts gelernt aus den finstersten Zeiten?

Kann es tatsächlich sein dass die Angst uns verbrennt?

Oder können wir vereinigt die Botschaft verbreiten:

Ein Fremder ist ein Freund, den man nur noch nicht kennt.

© Sybille Lengauer

Mehr als ein Gefühl

Veröffentlicht: Dezember 12, 2010 in Gedichte
Schlagwörter:, , , ,

Der Tag kriecht hündisch vor meinen Blicken,
Mir ist zum heulen, zum Hirnzerficken,
Es heißt nicht Hunger was mich zerfrisst,
In mir zerfällt was Hoffnung ist.

Denn heut ersaufe ich im Herzsud,
Der hervorquillt aus der Herbstbrut,
Mir hilft kein flennen und kein Kalkül,
Verlust ist mehr als ein Gefühl.

Die Nacht brennt bitter in meiner Kehle,
Ätzt tiefe Wunden, die ich verhehle,
Im Draußen Elend, jedoch wie immer,
Ist es im Innern bedeutend schlimmer.

Denn heut ersauf ich in der Schmerzbrut,
Die hervorquillt aus dem Herzsud,
Mir hilft kein heulen und kein Methyl,
Verlust ist mehr als ein Gefühl.

© Sybille Lengauer