Es geht weiter…
(Auszug aus „Hirnwichsen“, Text ca. 2002)
Verhungert im Gefühlsbereich und trotzdem übersättigt von all den Liebesbeteuerungen, die man sich zur Bestätigung immer wieder um die Ohren schleimt, so wie Hunde sich gegenseitig am Arsch beriechen. Emotional ausgedörrt und chronisch unterfickt, obwohl man sich doch regelmäßig gegenseitig das Gehirn herausvögelt, um zu beweisen, wie geil man immer noch aufeinander ist. Seit ach so langer Zeit. Und es geht weiter. Was man so denkt, was man so gemacht hat, wo man so war und wie es da gewesen ist, alles wichtig, damit einem der Gesprächsstoff nicht ausgeht, weil Schweigen ja der Tod ist. Obwohl es doch nichts Schöneres gibt, als auch wortlos glücklich zu sein. Mhm.
Die richtigen Gedanken teilt man dann mit dem kleinen Arschloch im Gehirn, das einem vom eigenen Verfallsdatum erzählt und wissen möchte, was man im Leben eigentlich noch so vorhat, außer nett, glücklich und zufrieden sein. Und man schämt sich, dass man genau DAS nicht ist und eigentlich auch gar nicht sein will, weil die Motivation fehlt, man am Ziel schon längst vorbeigeschossen ist und eigentlich auch sich selbst schon längst aus den Augen verloren hat. Unzufrieden und doch gut eingelullt von der allgemeinen Lebensbequemlichkeit, voll Tatendrang, wenn’s mal wieder nichts zu tun gibt, aber leider mit allen möglichen Unmöglichkeiten beschäftigt, sollte doch einmal etwas Wichtiges anstehen. So vergeht das Leben und geht doch weiter und immer weiter, bis man irgendwann zu alt ist, um das Arschloch im Hirn zu finden, da es sich mittlerweile nach Südtirol abgesetzt hat und dort Ski fährt, weil man selbst nichts mehr zum Kotzen findet, als Schnee…
© sybille lengauer
(Fast 20 Jahre später kann ich meinem jüngeren Schreiber-Ich versichern, dass das kleine Arschloch im Gehirn immer noch da ist. Wir haben uns sehr aneinander gewöhnt und Schnee ist unser Freund geworden…)