Mit ‘Hoffnung’ getaggte Beiträge

Immerfort

Veröffentlicht: Mai 19, 2022 in Gedichte
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Immerfort

Zusammen zittern wir hier und warten,
Dass es irgendwo Licht wird,
Und dass es irgendwann gut wird,
Doch es bleibt allumher dunkel,
Also zittern wir immerfort,
Warten wir immerfort,
Und aus der Dunkelheit hör’ ich dich rufen:
Lass mich endlich fliegen, lass mich los,
Lass meine Flügelspitzen hellen Wolkensaum berühren,
Lass mich endlich fliegen, lass mich frei,
Die Erde kann nicht länger halten, was ihr nie gehörte.
Zusammen zittern wir hier und hoffen,
Dass es irgendwo Licht wird, wir hoffen,
Dass es irgendwann hell wird,
Doch es bleibt allumher dunkel,
Also zittern wir immerfort,
Hoffen wir immerfort,
Und aus der Dunkelheit hörst du mich rufen:
Lass mich endlich fliegen, lass mich los,
Lass meine Flügelspitzen hellen Wolkensaum berühren,
Lass mich endlich fliegen, lass mich frei,
Die Erde kann nicht länger halten, was ihr nie gehörte.

© sybille lengauer

Vogelfrei

Veröffentlicht: März 26, 2017 in Kurzgeschichten
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Der Raum war kalt und abweisend. Staub flirrte in blassen Sonnenstrahlen, der scheinbar nur zögernd durch das verdreckte Fenster schienen. Auf dem wurmstichigen Fensterbrett stand ein kleiner Blumentopf, in dem eine gelbliche Pflanze verdorrte. Fruchtfliegen schwirrten in sanften Bahnen durch die trockene Luft. Es roch nach Einsamkeit und geronnener Zeit. Ein alter Mann saß gebeugt auf einem Stuhl, malte zittrige Kreise auf den Plastiktisch. Mechanisch tauchte er seinen Zeigefinger in einen Kaffeebecher, leckte daran, zog einen neuen Kreis ins vergilbte weiß der Tischplatte. Ein alter Fernseher, der in seiner übertriebenen Größe den Raum beherrschte, plärrte sinnlose Werbebotschaften in sein Gehirn. Er hörte schon lange nicht mehr hin.

Ein dumpfer Knall ließ ihn aufschrecken. Gehetzt sah er sich in um, als wäre er aus einem schlechten Traum aufgewacht. Langsam stand er auf und ging zum Fenster, wobei er hörbar die Luft einsog, als er seine arthritischen Knochen streckte. Auf dem Sims lag ein zerzaustes Bündel Federn. Dünne Vogelbeine reckten sich in die Luft. Ein zerzauster, schwarzer Kopf lag auf der Seite, die Augen geschlossen. Eine kleine Amsel. Zitternd stellte der alte Mann den Blumentopf auf den Boden, öffnete das Fenster und griff vorsichtig nach dem Vogel. Als er ihn mit seinen Händen umschloss, fühlte er ein leichtes Zucken.

Mit großem Bedacht ging er zurück zum Tisch, legte die kleine Amsel vor sich hin und schaute zu, wie sie atmete. Wartete. Langsam öffnete der Vogel die Augen. Lag auf der Seite und pumpte Luft in seine zarte Lunge. Durch das geöffnete Fenster drang Kindergeschrei. Ein Zittern lief durch den Körper des Vogels. Er krampfte. Schloss seine gelb umrandeten Augen. Der alte Mann seufzte tief, stand langsam auf und holte eine Schuhschachtel aus dem Abstellraum. Er polsterte sie mit Zeitungspapier, dann legte er die kleine Amsel hinein. Schloss den Deckel und stellte die Schachtel auf das Fensterbrett. Setzte sich erneut an den Tisch. Seufzte. Tauchte seinen Finger in den Kaffeebecher und malte einen zittrigen Kreis. Die Zeit blieb wieder stehen.

Leises Rascheln aus der Schachtel ließ ihn innehalten. Ächzend stand er erneut auf, ging zum Fenster und öffnete den Deckel. Die kleine Amsel blickte ihm erschrocken entgegen. Das Gefieder unordentlich. Die Flügel leicht abgespreizt vom Körper. Aufgeplustert saß sie in den Zeitungen. Der alte Mann schaute erstaunt zurück. Er hob langsam die Schachtel und hielt sie aus dem Fenster. Der Vogel schien ihn zu verstehen, schüttelte sich kurz und schwang sich dann in den Himmel. Flog ein wenig ungelenk, landete jedoch sicher im Kastanienbaum, der den kleinen Innenhof beschattete. Dort blieb er sitzen und sang ein kurzes Lied.Der alte Mann stand am Fenster, beobachtete die Amsel im Baum und dachte nach. Ein paar Minuten später drehte er sich um und ging in den Abstellraum. Er holte die große Schachtel, in der einst sein Fernseher geliefert worden war. Polsterte sie mit Zeitungspapier aus und kletterte mühsam hinein.

Der Vogel in der Kastanie sang erneut sein kleines Lied, als der alte Mann den Deckel über der Schachtel schloss und wartete…

© Sybille Lengauer

Perpetuum Mobile

Veröffentlicht: April 27, 2014 in Gedichte
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Das Handy.
Die Emails.
Die Haustür.
Das Gartentor.
Hoffnungsträger.
Wundenschläger.
Das Handy.
Die Emails.
Die Haustür.
Das Gartentor.
 
Es summt.
Du bist es nicht.
Seelenseufzen.
Augenbrennen.
Es piept.
Du bist es nicht.
Kehlenschluchzen.
Tränenflennen.
 
Das Handy.
Die Emails.
Die Haustür.
Das Gartentor.
Hoffnungsträger.
Wundenschläger.
Das Handy.
Die Emails.
Die Haustür.
Das Gartentor.
 
Es klingelt.
Du bist es nicht.
Kehelnseufzen
Tränenbrennen.
Es läutet.
Du bist es nicht.
Seelenschluchzen.
Augenbrennen.
 
Das Handy.
Die Emails.
Die Haustür.
Das Gartentor…
 
 
© Sybille Lengauer
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Ich weiß keine Antwort. Bin ratlos im Lustschloss. Ein wenig atmen, dann verweht noch ein Tag. Wer hat diesen Hirnstau bestellt? Ich bin konfus ohne Kompass, kein Schimmer wozu ich noch bin. Aber wenn ich mir anseh, wie ich mit dir hier im Nichts steh, dann ist das gar nicht mal schlimm. Ich hab keine Ahnung. Kein bisschen Planung. Ein wenig trippeln, dann vergeht auch die Nacht. Macht es Spaß, wenn man sich so lang quält? Ich weiß keine Antwort. Bin rastlos im Luftschloss. Ist dieses Leben echt „echt“?
Doch wenn ich dich spüre, dich im Fallen berühre, dann ist es so gar nicht mal schlecht. Ich frage mich lustlos. Im Hals einen Froschkloß. Ein wenig trocknen, dann verdorrt noch ein Tag. Wer ist noch im Spiel und wer raus? Ich weiß keine Antwort. Weiß nicht wer überhaupt zählt. Aber wenn ich dich küsse, dich im Stillen vermisse, dann gibt es hier nichts das mich quält. Ich hab keine Ahnung. Heuchle Seelenentrahmung. Ein wenig gießen, dann verrinnt auch die Nacht. Warum spielt mich kein anderer aus? Ich frage mich lustlos. Im Hals einen Froschkloß. Hat diese Schinderei Sinn? Doch wenn ich dich fühle, in deinen Haarwurzeln wühle, dann weiß ich genau dass ich bin.

© Sybille Lengauer

Sehnsucht

Veröffentlicht: Mai 30, 2011 in Gefasel
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Sie ist die Summe aller ungedachten Wünsche. Das kleine, nagende Gefühl, das sich in die Gedanken schleicht. Zweifel in die Zuversicht sät und dann geduldig hinter einer Ecke wartet. Sie ist die Erinnerung aller unerlebten Momente. Thousand places need to be seen. Thousand things need to be done. Sie ist das Klingeln des Weckers, wenn der Traum gerade erst anfängt. Sie ist das Schluchzen in der Nacht, in miefigen Kissen. Der brennende Wunsch, etwas anderes zu tun. Die nagende Sorge, dass es dafür zu spät ist. Thousand words need to be spoken. Thousand tears need to be shed.

Sie ist die lautlose Explosion aller unausgesprochenen Worte. Die willige Hure der unterdrückten Hoffnungen. Die Ansammlung der dreckigen Fußabdrücke aller Könnte und Wollte, die sich wie eine zweite Spur durch das Leben zieht. Thousand dreams need to be written. Thousand secrets need to be found. Thousand variations of one me need to be seen, need to be done, need to be spoken, need to be shed, need to be written, need to be found. Need to be lived, need to be fed, need to be, need to be, need to be…

© Sybille Lengauer

Naiv

Veröffentlicht: Mai 19, 2011 in Gefasel
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Leg dich hin, schließ die Augen und träume. Von einer Zukunft, die für uns arbeitet, von einem Leben, das sich nicht mehr in alle Dimensionen zu verschmieren scheint, sondern einfach fließt. Stell dir vor, dass es klappt, dass es läuft. Und dann lach nicht, bitte lach nicht, sei einfach ein wenig naiv. Nur ein bisschen, nur für mich.

Leg dich hin, schließ die Augen und träume. Von einem Tag an dem die Sonne nur für uns aufgeht, über einem Meer, das so glatt ist, dass der Himmel darin zu ertrinken scheint. Von einem Glück, das so klar ist wie der Kern eines Eisberges. Und dann lach nicht, bitte lach nicht, sei einfach ein wenig naiv. Nur ein bisschen, nur für mich.

Leg dich hin, schließ die Augen und träume. Von einem Ziel, das sich verwirklichen lässt, von einem Weg, der sind nicht in ein Labyrinth aus Sackgassen verwandelt, sondern einfach in die richtige Richtung führt. Von einer Idee, die nicht im Zynismus dieser Welt erstickt, sondern wächst und gedeiht. Und dann lach nicht, bitte lach nicht, sei einfach ein wenig naiv. Nur ein bisschen, nur für mich.

© Sybille Lengauer