Mit ‘Liebeskummer’ getaggte Beiträge

Erweckung, Darling

Veröffentlicht: März 8, 2019 in Kurzgeschichten
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„Kommst du morgen zur Erweckung?“ Dunkelbraune Zauberaugen sehen zu mir hoch. Ein kleines Lächeln spielt auf himbeerfarbenen Lippen. Ihr Gesicht wird unter dem getönten Sonnenschirm ein wenig verzerrt. Sieht trotzdem atemberaubend aus. Selbst in diesem ekelhaften Licht. Ich spüre den Stein in meinem Herzen. Schaue lieber weg. „Manau?“ Eine schlanke Hand fasst durch den Sonnenschein zu mir. Zieht fordernd an meiner Jacke. „He, Manau!“ „Ja, Darling?“ „Ich habe gefragt, ob du morgen mit zur Erweckung kommst? Patrick und Pam haben zugesagt, Walter ist nicht sicher. Was ist mit dir?“ „Nicht sicher.“ antworte ich, sehe ihr dabei nicht in die Augen. „Langweiler.“ Sie zieht die Hand zurück, schüttelt etwas Staub von ihrem Ärmel. Der Stein in meinem Herzen ist zehn Tonnen schwer. „Okay, ich muss rein. See you!“ Sie dreht sich um und läuft aus meinem Leben. Schon wieder. Deprimiert schaue ich ihr hinterher. Sehe ihre roten Stiefeletten über den weißen Asphalt springen, der bunte Mantel flattert im heißen Wind. Ich vermisse sie jetzt schon. Ich sollte meinen Therapeuten anrufen. Ich muss aus diesem Wetter raus.

„Was willst du?“ Die Barista im Billabong sieht aus wie meine Großmutter. Ist auch genauso unfreundlich. Ich fühle mich gleich wie zuhause. Schiebe grinsend die Karte in den Bestellslot. „Was ist das Tagesangebot?“ frage ich. „Süßes Wasser mit Orange.“ rattert sie die Antwort herunter, greift dabei schon zum Glas. „Ich mag keine Orange.“ Sie sieht mich vorwurfsvoll an. „Mit Kirsche habe ich auch, ist nicht teurer.“ „Kirsche ist gut.“ sage ich, sehe ihr zu, wie sie hinter dem Sicherheitsglas verschwindet. Im Screen läuft das letzte Spiel der Dünenfüchse. Interessiert mich nicht. Interessiert auch die anderen Gäste nicht, niemand sieht zu. Jeder schaut auf sein Mobile oder aus den getönten Fenstern. Ich nehme mein Glas entgegen, setzt mich an einen Einzeltisch. Packe den Laptop aus. Seichte Musik dudelt aus einer verborgenen Box neben mir. Der Stein in meinem Herzen ist immer noch zehn Tonnen schwer. Ich rufe meinen Therapeuten an. Während des Gesprächs mache ich mir kleine Stichwortnotizen auf einer Serviette. Ist so ein alter Tick von mir. Ich habe immer einen Stift dabei.

„Dude, ich weiß wirklich nicht ob ich zur Erweckung komme.“ Walter windet sich. Ich kann ihn durch den Bildschirm schwitzen sehen. „Was ist los?“ frage ich, obwohl mich die Antwort nicht interessiert. Ich wollte eigentlich nur nach der Physikaufgabe fragen. „Darling.“ sagt er und ich bin hellwach. „Was ist mit ihr?“ „Ich weiß nicht, ich glaube, naja…“ er bricht ab. Ich warte, nippe an meinem Glas Wasser. „Ich glaube sie will etwas von mir.“ rückt er schließlich heraus. „Und ihr beiden wart doch, naja…“ er bricht wieder ab. Schwitzt unglücklich vor sich hin. Ich hätte Pamela anrufen sollen, die ist besser in Physik. „Dude…“ Walter wartet auf eine Reaktion von mir. Ich werfe einen Blick auf die vollgeschmierte Serviette. ‚Radikale Akzeptanz‘ steht da und der Stein in meinem Herzen kann mich am Arsch lecken. „Ich fände es toll, wenn du kommen würdest.“ sagt irgendjemand mit meiner Stimme. „Kannst du mir jetzt bei dieser bekackten Aufgabe helfen oder nicht?“

Es ist später Abend. Ich sitze in meinem Zimmer, höre der Klimaanlage zu. Sie spielt immer dasselbe Lied, im immer gleichen Takt. Wenn ich mich konzentriere, kann ich sie singen hören. „Sie liebt dich nicht. Sie liebt dich nicht. Sie liebt dich nicht.“ Meine Klimaanlage ist ein verdammter Psycho. Ich hätte Walter nicht sagen sollen, dass ich es toll finde, wenn er kommt. Jetzt muss ich auch kommen. Sonst sieht das eigenartig aus. Fuck. Ich nehme heute lieber zwei Sleepwell. Sonst wird das nichts.

„Herr Fohlsänger, sind Sie anwesend?“ Ich bin kurz abgedriftet. Habe nur ein wenig den Anschluss verpasst. Dem entgeht auch wirklich nichts. „Natürlich, Professor Steiner.“ beeile ich mich. Knipse ein Lächeln an. Es wirkt nicht. „Es hatte ganz den Anschein, als hätten Sie sich verschwommen.“ Die Klasse lacht über seinen öden Witz. Widerliche Schleimer. „Bin an Bord, Sir.“ „Und worüber haben wir uns gerade unterhalten?“ Ich rase durch mein Unterbewusstsein. Schlage unter seiner langweiligen Stimme nach. „Die Wasserkriege von 2215-2242.“ finde ich schließlich die Antwort. „Geht es etwas genauer, Herr Fohlsänger?“ Jesus, der hat mich wirklich auf den Hörnern. Ich höre Patrick hüsteln. Er deutet heimlich zum Screen. „Die gescheiterte Friedensverhandlung von 2232, auch bekannt als „ Smirnows Erlösung“.“ Es ist ein Sprung ins Ungewisse, der Screen zeigt zwei Möglichkeiten. Steiner zieht eine Augenbraue hoch, wendet sich wieder den anderen Schülern zu. Ich danke Patrick mit einem kleinen Nicken. Das wird mir noch leid tun.

„Junge, was ist los, hast du zu lange im Sand gespielt?“ lachend klopft mir Patrick in der Mittagspause auf den Rücken. Knallt seine Wasserflasche neben meiner auf den Tisch. Der hat es gerade nötig. „Du hast es gerade nötig.“ ich stoße ihn in die Rippen. Höre mich zurücklachen. Irgendwo in dieser scheiß Kantine könnte sich ein schwarzes Loch auftun und diesen Wichtigtuer verschlingen, der mein verdammter, bester Freund ist. Irgendwann ramme ich ihm eine Schaufel in den Kopf. Ich schwöre. „Welche hast du?“ fragt er und deutet auf meine Nahrungsration. „Nr. 14. Kotze mit Reis. Du?“ „Nr. 3.“ „Grillensouffle.“ sagen wir gleichzeitig. War auch schon mal lustiger. „Wann treffen wir uns heute Abend?“ Patrick zerreißt die Folie seiner Ration, zieht angewidert die Nase kraus. „Keine Ahnung, hat Pam etwas gesagt?“ „Die kommt mit Darling. Wie immer.“ Ich kann den Stein schon wieder spüren. Dieses verdammte Herz.

„He, so schön dass du gekommen bist!“ Sie fällt mir um den Hals, als hätten wir uns ewig nicht gesehen. Weiß genau, das sie mich damit in Stücke bricht. Ich verabscheue sie dafür. Liebe sie trotzdem. Atme den Duft ihres Haares ein. „Ich wollte das Feuerwerk nicht verpassen.“ antworte ich lahm. Der Tag war anstrengend. Ich hasse die Schule. Ich wäre lieber zuhause. Oder im Weltraum. Oder egal wo. Nur nicht hier. „Patrick und Pam halten Plätze frei, Walter ist auch schon da.“ Ihre Augen leuchten. „Radikale Akzeptanz.“ murmle ich, folge ihr durch die Menschenmenge.

Ich hätte nicht kommen sollen. Es ist viel zu stickig hier. Walter und Darling neben mir. Sie halten Händchen. Händchen! Patrick und Pam knutschen. Wie immer bei der Erweckung. Ich hätte tot umfallen sollen. Gestern. Vielleicht werde ich mich bei der Armee einschreiben. Oder bei den Wassersuchern. Es ist so scheiße hier. Wenn die Band gleich unser Lied spielt, werde ich verrückt. „Pfoa, der schreit aber!“ Neben uns sitzt eine Familie. Ihr kleiner Wonneproppen kommentiert aufgeregt, was auf der Tribüne passiert. Ich sehe kurz hin. Eine Gruppe wird gerade hereingeführt. Einer windet sich. Einer windet sich immer. Ich sehe aus dem Augenwinkel, wie Walter seinen Arm um Darling legt. Mir wird schwindelig. Ich hätte nicht kommen sollen. Wenn sie gleich knutschen, werde ich verrückt. „Pfoa!“ ruft der kleine Scheißer neben uns wieder aufgeregt. Die Gruppe wird erweckt. Der Priester dankt für ihr Wasser. Die Band spielt unser Lied.

„Sollen wir noch ins Billabong?“ Walter weiß nie, wann genug ist. Steht da, grinst wie ein Hund, der halbe Arsch hängt ihm aus der Hose. Ausgerechnet den. Ich begreife es einfach nicht. Darling schmiegt sich an ihn, ihre Hand schlingt sich in seine. „Kätzchen ist schon müde, mein Süßer. Lass uns schlafen gehen, ja?“ säuselt sie und mein Herz explodiert. „Gut, bis morgen.“ Walter winkt uns zu, verschwindet mit Darling im Arm. Ich verabschiede mich auch. Kann Patricks Mitleidsblicke nicht ertragen. Ich hasse ihn dafür. Hasse mich dafür. Ich muss nach hause. Ich muss diese Nacht vergessen. Ich muss meinen Therapeuten anrufen.

© sybille lengauer

Alles kleistert

Veröffentlicht: September 14, 2017 in Gedichte
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Es hat sich irgendwie auseinander.
Es hat sich irgendwie verlebt.
Auch wenn man immer noch aufeinander.
Auch wenn man immer noch klebt.

Alles kleistert.
Und du glitzerst.
Irgendwie auch.
Nicht mehr hell.

Alles kleistert.
Und du glitzerst.
Irgendwie auch.
Aber wie auch?
Alles kleistert…

Es hat sich irgendwie durcheinander.
Es hat sich irgendwie verlegt.
Auch wenn man immer noch miteinander.
Auch wenn man immer noch klebt.

Alles kleistert.
Und du glitzerst.
Irgendwie auch.
Nicht mehr hell.

Alles kleistert.
Und du glitzerst.
Irgendwie auch.
Aber wie auch?
Alles kleistert…

© sybille lengauer

Deine Nähe (Mottengedanken)

Veröffentlicht: Mai 12, 2014 in Gedichte
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Deine Nähe,
Brennt auf meiner Haut,
Wie tausend Sonnenstrahlen,
Büschelweise fallen mir die Träume aus.
 
Machst mich betrunken, schwankend, wirr.
In engen Kreisen dreh ich mich,
Und das Gehirn kennt keine Richtung,
Außer eine und die knistert.
 
Unaufhaltsam scheitert der Gedanke,
Dass ich anderswo – vielleicht ein Ziel hätt.
Irgendwo, vielleicht dort drüben.
Oder doch nicht?
 
Und die Erinn´rung an die Freiheit,
Haftet nur noch im Gedächtnis,
Bis ich verglühe, während deine Nähe,
Brennt.
Und brennt.
Und brennt.
 
© Sybille Lengauer
 
 

 

Perpetuum Mobile

Veröffentlicht: April 27, 2014 in Gedichte
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Das Handy.
Die Emails.
Die Haustür.
Das Gartentor.
Hoffnungsträger.
Wundenschläger.
Das Handy.
Die Emails.
Die Haustür.
Das Gartentor.
 
Es summt.
Du bist es nicht.
Seelenseufzen.
Augenbrennen.
Es piept.
Du bist es nicht.
Kehlenschluchzen.
Tränenflennen.
 
Das Handy.
Die Emails.
Die Haustür.
Das Gartentor.
Hoffnungsträger.
Wundenschläger.
Das Handy.
Die Emails.
Die Haustür.
Das Gartentor.
 
Es klingelt.
Du bist es nicht.
Kehelnseufzen
Tränenbrennen.
Es läutet.
Du bist es nicht.
Seelenschluchzen.
Augenbrennen.
 
Das Handy.
Die Emails.
Die Haustür.
Das Gartentor…
 
 
© Sybille Lengauer
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Der Zeichner

Veröffentlicht: März 18, 2014 in Kurzgeschichten
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Er stöhnte müde und legte den Kohlestift aus der Hand. Drehte den dröhnenden Bass noch etwas lauter auf. Rieb sich das schmerzende Handgelenk. Schüttelte erst die rechte, dann die linke Hand. Schüttelte beide Hände zugleich. Dann den ganzen Körper. Der Zeichenblock glitt dadurch von seinem Schoß auf den krümelübersäten Boden. Scheiße. Ach was. Liegen lassen! Er nahm einen tiefen Schluck aus der Weinflasche. Warf die halbgerauchte Zigarette auf den Haufen mit den anderen Tabakleichen. Kroch langsam von der Couch auf den Boden. Ließ sich seufzend über die Zeichnung sinken. Schmierte sich selbst über das Papier. Millimeter für Millimeter. Roch den Kohlestaub. Fuhr mit der Zunge darüber. Krümel. Kacke. Überall Krümel. Zögerlich fragte sein Verstand, was er da eigentlich machte. „Nicht recht viel“, kam die Antwort vom restlichen System. „Weitermachen!“ brüllte er, so laut er konnte. Sofort konterte sein Mitbewohner mit einem herzhaften „Maul halten!“ aus dem Nebenzimmer.Etwas unbeholfen zog er sich an der Tischkante wieder in die Höhe. Hinterließ klebrig schwarze Fingerabdrücke. Schaute auf das verschmierte Papier. Kohlewirrwarr. Krümel. Etwas Spucke. Kunst? „Ach, leck mich!“ „Halt endlich die Fresse!“ dröhnte es von nebenan.

Er ließ seinen Blick durch das verlebte Zimmer schweifen. Blieb an dem Bild hängen, das von den glücklichen Tagen mit Marie erzählte. Hasste es aus tiefstem Herzen. Zwei Schritte, ein energischer Ruck und da lag es auf dem zertretenen Holzfußboden. „Scheiß auf Marie! Scheiß auf das Glück!“ Wütend griff er zum Kohlestift und kritzelte, so fest er konnte, über das Bild, über den Boden, über seine Hände, über sein Gesicht, das schon ganz nass war, vom Flennen und vom Schweiß. Die Weinflasche stand nah genug, um durch reinen Zufall in seine Hand zu schlüpfen. Schwungvoll warf er sie in das Chaos. „Yeah, Baby, das ist Fuck-you-Kunst!“ schrie er und aus dem Nebenzimmer kam keine Antwort, weil Dirk bereits in der Tür stand, das Gesicht so rot wie der Eingang zur Hölle. „Du dummes Arschloch, du selten dämliches…was, verdammt nochmal ist los mit dir?“ Dirk beglubschte wutschnaubend das Chaos. „Okay, weißt du was? Ich ziehe aus. Morgen.“ Ruckartig drehte er sich um und ging zurück in sein Zimmer. Knallte die Tür. „Scheiße.“ , schrie Dirk. „Scheiße.“

„Ja, das ist Fuck-you-Scheiße-Kunst.“, murmelte er zufrieden und legte sich in die Scherben. Seufzte tief. Schlief friedlich ein. Endlich.

© Sybille Lengauer

Feuer

Veröffentlicht: März 16, 2014 in Gedichte, Gefasel
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Du machst ein nettes Foto.
Von einem hübschen Teller.
Mit feinem Essen drauf.
Artgerechtes Gemüse, an glücklichen Fleischhäppchen.
Mit vollmundiger Champagnercreme.
Köstlich.
Lächelst in dich hinein.
Während mir hier gerade das Herz bricht.

Und wenn du ganz genau hinschaust.
Dann ist da so ein ganz schwacher Schimmer.
So ein Glimmen. Zarter noch als Insektenflügel.
Könnte ein Funke sein. Oder ein Staubpartikel.
Ist aber nur mein Gefühl.
Das gerade im Hinterhof verreckt ist.
Macht nicht viel.

Du hörst dein absolutes Lieblingslied.
Summst etwas schief mit.
Wippst ein bisschen mit dem Fuß dazu.
Rhythmus war noch nie so ganz deins.
Steckst dir einen Finger ins Ohr.
Hörst danach ein wenig besser.
Wunderbar.
Grinst glücklich vor dich hin.
Während mir hier gerade das Herz bricht.

Und wenn du ganz genau hinhörst.
Dann ist da so ein ganz leises Geräusch.
So ein Flüstern. Leiser noch als der Wind.
Könnte ein Seufzen sein. Oder ein Gähnen.
Ist aber nur mein Gefühl.
Das gerade im Straßengraben verreckt ist.
Macht nicht viel.

Du sitzt gemütlich im Kinosessel.
Stopfst dir Nachos in den Hals.
Mit doppelter Käsesauce.
Wischst dir ein paar Krümel aus dem Mundwinkel.
Die Sprenkel am T-Shirt hast du übersehen.
Ist nicht schlimm.
Du nimmst zufrieden einen Schluck eiskalte Cola.
Während mir hier gerade das Herz bricht.

Und wenn du ganz genau aufpasst.
Dann ist da so ein ganz leichter Hauch.
So ein Lüftchen. Sanfter noch als ein Kuss.
Könnte ein Gedanke sein. Oder ein Blinzeln.
Ist aber nur mein Gefühl.
Das gerade in der Gosse verreckt ist.
Macht nicht viel.


© Sybille Lengauer